Sonntag, 27. Januar 2013

Urheberrecht und Wissensmanagement


Die gegenwärtige Beschaffenheit des Urheberrechts führt dazu, dass mitunter widersprüchliche und kontraproduktive Szenarien entstehen können. Das Verwertungssystem von urheberrechtlichen Gütern soll einerseits als Anreiz zur Schaffung neuen Wissens fungieren, gleichzeitig wird dadurch jedoch der Zugang zu eben diesen Informationen und die damit verbundene Entwicklung neuen Wissens basierend auf dem bereits vorhandenen durch finanzielle Barrieren erschwert. Andererseits stellt der Umsatz mit urheberrechtlich relevanten Gütern erheblichen Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung dar. 

Über diese Ambivalenz der Blockade von Wissen durch das Urheberrecht und dessen Funktion als Motor für die Weltwirtschaft referiert im folgenden Podcast-Beitrag Karsten Gerloff von der Free Software Foundation Europa (FSFE). Gerloff nimmt dabei die World Intellectuell Property Organization (WIPO) in die Pflicht, die Zugänglichkeit zum Wissen aufrechtzuerhalten.


Urheberrecht-Patente - Reichtum statt Eigentum

Eine frühe Methode diese Barrieren des Urheberrechts aufzulockern, bildet die unter anderem von Lawrence Lessig entwickelte Creative Commons Lizenz, die auf der Grundlage des bestehenden Rechts einen freien Umgang mit Inhalten ermöglicht. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der CC-Lizenz im vergangenen Dezember diskutierten Technikjournalist Falk Lüke und Kulturwissenschaftler Michael Seemann über die Bedeutung der freien Lizenzverträge in der aktuellen Debatte um und als Alternative für das Urheberrecht.

 
CC-Lizenzen - Creative Commons und was davon übrig blieb

Die Diskussion führt zu dem Ergebnis, dass die CC-Lizenzen die an sie gestellten hohen Erwartungen nur im Ansatz erfüllen konnten, nichtsdestotrotz stellen sie eine wichtige Alternative zum Urheberrecht dar, das wiederum einer umfassenden Reform bedarf.

Freitag, 4. Januar 2013

Die Debatte

Nach dem einführenden allgemeinen Post soll nun ein Einblick in die Debatte um das Urheberrecht und den Begriff des geistigen Eigentums gegeben werden.

Beginnen möchte ich mit dem abschließende Beitrag aus der vierteiligen Reihe „Everything is a Remix“, in dem die Entwicklung des Urheberrechts auf anschauliche Weise nachgezeichnet und für dessen Modifizierung plädiert wird. Hierbei wird eine Analogie zwischen der Evolution und der kulturellen Entwicklung hergestellt, wonach der Prozess des freien Kopierens, Transformierens und der Kombination von Informationen als Grundlage sowohl für vielfältige Organismen (Informationen in Form von Erbgut) als auch für die Weiterentwicklung kultureller Ideen und Techniken betrachtet werden kann, da neue Gedanken häufig auf bereits bestehenden Vorstellungen beruhen. Das Rechtsmodell widerspricht jedoch dieser utilitaristischen Betrachtung. Demnach würde jede einzelne Idee deutlich von den anderen abgegrenzt, obwohl diese doch vielseitig verknüpft seien. Durch den Strukturwandel der Öffentlichkeit wandelte sich der historisch stets freie Umgang mit Wissen zu einer vermarktungsorientierten Handhabung, welche die Vorstellung von, der Gemeinschaft dienenden, Common Goods hin zum schützenswerten geistigen Eigentum veränderte. Anhand dieser Entwicklung wird die Notwendigkeit freier Inhalte betont.



Folgendes Video zeigt eine Debatte aus dem Sommer des Jahres 2012 zwischen dem Vorsitzenden der Piratenpartei Bernd Schlömer und dem Musikproduzenten René Rennefeld. Schlömer erklärt das geänderte Konsumverhalten infolge der Digitalisierung von Medieninhalten als Ausgangspunkt für die Neuformulierung des Urheberrechts und der damit verbundenen Entwicklung von neuen Geschäftsmodellen, welche die Vertriebs- und Nutzerinteressen gleichermaßen berücksichtigen müssten. Die Piraten setzten sich dafür ein, den Austausch von Informationen zu nicht-gewerbsmäßigen Zwecken zu entkriminalisieren. Wissen müsse frei verfügbar sein. 
Rennefeld - als Vertreter der Produktionsseite - sieht in einer derartigen Auflockerung des Urheberrechts eine Bedrohung für die finanzielle Grundlage seiner Branche. Dementsprechend fordert er eine Regulierung des Internets. 



Ergänzend sei, im Rahmen dieser Debatte, noch auf die hinlänglich bekannte und polemische Wut-Rede des Musikers und Schriftstellers Sven Regener hingewiesen.

Sonntag, 25. November 2012

Von der Revolution zur Revolution

Die gegenwärtige Debatte um das geistige Eigentum ist keineswegs eine neuartige Erscheinung, sondern vielmehr eine weitere Episode in der Auseinandersetzung mit dem Wesen und dem Sinn des Urheberrechts und insofern so alt wie das Urheberrecht selbst. Dessen Ursprung liegt in der Zeit der bürgerlichen Revolutionen im 18. und 19. Jahrhundert und der anschließenden Epoche der Romantik. Bedingt durch die Entwicklung eines umfassenden Buchhandelns wurde eine vertragliche Regelung über geistige Errungenschaften notwendig.


Das romantische Autorrecht

In diesem Sinne forderte der deutsche Philosoph Johann Gottlieb Fichte, das geistige Eigentum unter Rechtsschutz zu stellen. Er trennte deutlich zwischen der körperlichen und geistigen Seite des Buches, wobei eben auch an der geistigen Dimension ein Eigentumsrecht bestehe. Auch Johann August Schlettwein betonte, dass Verfasser von Schriften die rechtmäßigen Eigentümer ihrer eigenen Produkte sein müssten. In der kulturgeschichtlichen Epoche der Romantik galt das Werk nach seiner Schöpfung zwar als eigenständiges Wirtschaftsgut, dennoch blieb es Teil der Persönlichkeit des Urhebers. Diese Beziehung zwischen Schöpfer und Werk war untrennbar und nicht übertragbar. In dieser Form des Autorrenrechtes wird Eigentum aus dem Persönlichkeitsrecht abgeleitet.

Das Autorrecht löste das zuvor übliche Verlagsrecht, welches das geistige Eigentum ausschließlich als Immaterialgüterrecht betrachtete und keine Einheit zwischen Schöpfer und Werk vorsah und insofern ein vermögensrechtlich ausgerichtetes Recht darstellte. Erwarb ein Käufer ein Werk, so war er auch der unzweifelhafte Eigentümer davon. Durch das Autorrecht rückt der Schöpfer des Werkes als zusätzliche Interessengruppe neben dem Verleger in den kommerziellen Verwertungsprozess. Diese Konstellation birgt jedoch einen anhaltenden Interessenkonflikt. Das geistige Eigentum wird zum einen als wirtschaftliches Gut veräußerbar, bleibt jedoch zugleich untrennbar mit dem Urheber verbunden.


Geistiges Eigentum und Immaterialgüterrecht

Der Begriff des geistigen Eigentums, welcher sich häufig aufgrund seiner ideologischen Aufladung weitläufiger Kritik ausgesetzt sieht, war ursprünglich nicht (wie gegenwärtig oftmals angenommen) als sachrechtliches Eigentum, sondern als dem Schöpfer exklusive allerdings übertragbare Berechtigung am geschaffenen Werk konzipiert worden. Somit bezog sich das geistige Eigentum auf ein außerhalb des Menschen befindliches, nicht greifbares, also immaterielles Gut. Die aktuelle, ideologisch manipulierte Auffassung vom geistigen Eigentum als Privateigentum, welche den Besitzanspruch des Schöpfers an seinem Werk impliziert, steht somit im Gegensatz zur eigentlichen Bedeutung des Begriffs geistiges Eigentum. Durch diesen Besitzanspruch an geistigen Werken wird eine Verbindung zwischen materiellen und immateriellen Gütern erzeugt, welche die gesetzliche Differenz zwischen diesen Begriffen aufweicht. Eine solche Gleichsetzung ist jedoch rechtlich nicht haltbar, da etwa Eigentumsdelikte bei Immaterialgütern nicht möglich sind, weil diese von beliebig vielen Personen ohne gegenseitige Beeinträchtigung gleichzeitig genutzt werden können. 

Die Befürworter des Konzepts des geistigen Eigentums berufen sich in der Regel auf klassische historisch gewachsene philosophische Begründungen, um ihre Position zu verteidigen. Diese sollen im Folgenden genauer betrachtet und mit der Argumentation der Gegenposition verglichen werden.


Die liberale Begründung

Basierend auf John Lockes Arbeitstheorie entwickelte sich die liberale Begründung des geistigen Eigentums: „Das Ergebnis meiner Arbeit gehört mir.“ Lockes Theorie besagt, dass Menschen Kontrolle über die von ihnen hergestellten Güter besitzen müssen. Somit soll gewährleistet werden, dass der Urheber für die Nutzung seines Werkes durch Andere eine Kompensation als Ausgleich für die Einschränkung der eigenen Nutzung seiner Schöpfung erhalten müsse. Diese Rechtfertigung beschränkt sich jedoch ausschließlich auf rivalisierend nutzbare, also materielle Güter. Der Urheber von Verfahren oder Methoden (Immaterialgüter) wird durch Kopien in keiner Art und Weise in seinen eigenen Nutzungsmöglichkeiten eingeschränkt. Ferner sind für Locke alle Menschen mit dem gleichem Recht auf Leben, Freiheit und Besitz ausgestattet, wobei die Besitzrechte die Freiheit und das Leben nicht übertreffen dürfen. Die Idee vom geistigen Eigentum als Besitzanspruch beschränkt hingegen die Freiheit anderer, da es eine uneingeschränkte Nutzung von immateriellen Gütern verbietet.


Die utilitaristische Begründung

Der utilitaristische Ansatz verteidigt das geistige Eigentum im Hinblick auf seinen Beitrag für das Gemeinwohl. Inwieweit lässt sich jedoch der Nutzen des geistigen Eigentums für die Gesellschaft bemessen? Neben der qualitativen Dimension ließen sich finanzielle und wirtschaftliche Indikatoren aufzählen. Diese Möglichkeit hat jedoch bereits John Stuart Mill, einer der Hauptvertreter des Utilitarismus, ausgeschlossen, da gewisse Zustände nicht direkt käuflich oder mit finanziellen Maßstäben messbar sind. Die Gegner des geistigen Eigentums betonen zudem, dass die Ursache für die ungleiche Verteilung von Wohlstand im fehlenden freien Zugang zu immateriellen Gütern liegt, da diese in einer postindustriellen Gesellschaft der wichtigste Faktor für Wohlstand sind. So wird beispielsweise jeder Mensch durch Schutzfristen von 70 Jahren daran gehindert, zu Lebzeiten Werke seiner Zeitgenossen ohne deren Zustimmung frei zu nutzen oder weiterzuentwickeln. Der Einzelne wird demnach erheblich in seiner Freiheit und seinem Entwicklungspotential zugunsten Einzelner eingeschränkt. Dies steht im Widerspruch zum utilitaristischen Sinn.


Die deontologische Begründung

Gemäß der deontologischen Begründung besteht eine moralische Pflicht dem Urheber von geistigen Werken Respekt zu erweisen. Nach Immanuel Kant ist eine Handlung nur dann moralisch, wenn sie ohne äußeren Zwang, sondern stets aus einer inneren Pflicht resultiert. Ethische Handlungen sind somit immer freiwillig und mit der Überwindung von Hindernissen verbunden. Für die Gegner des Immaterialgüterrechts schließt dieses jedoch moralisches Verhalten grundsätzlich aus. Die mit diesem Rechtssystem zwangsläufig verbundenen festen Preise führen dazu, dass bestimmte Nutzer entweder über- oder unterfordert werden und somit von einer moralischen Handlung abgehalten werden. Die Überforderung in Form eines zu hohen Preises stellt ein zu großes Hindernis für den Zugang zu dem geistigen Gut dar, wodurch die entsprechenden Personen von einer Nutzung ausgeschlossen werden und gelegentlich dazu neigen, sich über das Recht hinwegzusetzen und dem Urheber jegliche Kompensation zu versagen. Anderseits kann ein zu niedriger Preis eine moralische Handlung ausschließen, da das zu kleine Hindernis für den Nutzer nur zu einer unzureichenden Kompensation des Urhebers führt. 


Der Beginn der Revolution

Kritiker des geistigen Eigentums fordern angesichts der unangemessenen und historisch überholten philosophischen Rechtfertigung von geistigen Eigentum eine Umkehr der Beweislast. Nicht die Gegner sollten den mangelnden Nutzen des geistigen Eigentums aufzeigen, sondern die Befürworter müssten beweisen, dass die Steigerung des Gemeinwohls durch Immaterialgüter deren hohen Preis rechtfertigten. Das Internet mit seinen zunehmenden formalen wie informellen Distributionskanälen stellt die klassische Rechtsgrundlage des Immaterialgüterrechts in Frage und stärkt die Rolle des Nutzers gegenüber den Positionen der Autoren und Verwerter. Es ist insofern nur folgerichtig, dass die Verbraucher als dritte Partei des Verwertungsapparats um die Anerkennung ihrer Rechte kämpft. Dem Urheberrecht als Schöpfung der bürgerlichen Revolution steht somit möglicherweise eine neuerliche Revolution bevor.



Weiterlesen

Jänich, Volker (2002). Geistiges Eigentum, eine Komplemantärerscheinung zum Sacheigentum? Tübingen.

Kimppa, Kai (2007). Problems with the Justification of Intellectual Property Rights in Relation to Software and Other Digitally Distributable Media. Turku.

Mill, John Stuart (1976). Der Utilitarismus. Ditzingen.

Aggregat 7 - Probleme der ethischen Begründung von „geistigen Eigentum“

Winfried Degen - Gedanken zu einem Privileg

Wolfgang Michal - Das Janusgesicht des geistigen Eigentums

Montag, 29. Oktober 2012

Anstoß

Künftig werde ich an dieser Stelle über das konfliktbeladene Verhältnis von geistigem Eigentum und Digitalität reflektieren. Dabei soll diskutiert werden, welche ethischen Begründungen dem Immaterialgüterrecht zugrunde liegen und inwieweit das digitale Zeitalter diese Rechtsform unterwandert.